Ist generative KI eine Revolution?
Glaubt man Cassie Kozyrkov, ehemalige Chief-Data Scientist bei Google, sind alle Personen, die aktuell von generativer KI begeistert sind, in Wirklichkeit von der User Experience begeistert . Es ist also keine KI-Revolution, sondern eine Design Revolution. Seit der Veröffentlichung von ChatGPT durch OpenAI haben Anwender*innen aus der Praxis die Möglichkeit, die Fähigkeiten moderner KI-Modelle für ihre eigenen Anwendungsfälle zu testen. Google und Netflix haben unter der Oberfläche schon viele Jahre lang mit KI unsere Probleme gelöst. Im Fokus stand aber immer möglichst korrekte Antworten zu liefern. Jetzt aber findet ein Umdenken statt. Oder um Kozyrkov zu zitieren: "The thought process has moved from is it correct to is it useful".
Was heißt das für unsere Projekte?
Projekte erfolgreich umzusetzen, benötigt eine Unmenge an Kreativität und fokussierter Produktivität. Und in beiden Bereichen kann generative KI jetzt schon helfen.
- Texte erstellen
Content zu generieren war noch nie so einfach. Mit dem richtigen Prompt werden Social Media Einträge, Projektbeschreibungen und E-Mails an wichtige Stakeholder vorgeschlagen und müssen nur noch korrekturgelesen werden. Auch die Grenze zwischen gesprochener und geschriebener Sprache verschwindet zunehmend. Dementsprechend wird zukünftig wohl das Schreiben von Protokollen weit weniger Aufwand sein. - Texte umschreiben
Haben Sie gerade ein erbostes Mail von einer Stakeholder-Gruppe erhalten und keine Zeit mehr, sich für die Antwort zu beruhigen? Lassen Sie ihre Antwort vielleicht doch lieber von der KI noch einmal diplomatischer gestalten. - Ideengeneration und Sparring-Partner
Welche Informationen möchten Ihre Stakeholder und Ihre Projektauftraggeber zu dem Projekt wissen, das sie gerade übernommen haben?
Das weiß die KI auch nicht. Aber sie kann sich in die Rolle versetzen und raten. Und das tut sie erstaunlich gut.
Achtung: Das Austesten der Hypothesen ist immer noch Ihre Arbeit. Generative KI wird Ihnen das Management Ihrer Stakeholdergruppen (noch) nicht abnehmen, aber es kann Ihnen viele gute Ideen dafür geben.
Einzug in unsere Tools
Die Tatsache, dass wir mit unterschiedlichen Stakeholdergruppen unterschiedlich kommunizieren, ist auch unseren Kommunikationsanbietern nicht verborgen geblieben. Dementsprechend werden stilistische Überarbeitungen wohl in Zukunft granularer arbeiten, als es bisher der Fall ist. Durch Natural Language Processing können unsere Tools nun den Kontext unserer Nachrichten und Dokumente einschätzen. Microsoft Office könnte damit zukünftig Meetings nicht nur protokollieren, sondern die besprochenen Tasks auch in sinnvoller Form einplanen und beim nächsten Meeting wieder zusammenfasst aufzeigen. Für Projektmanager*innen werden damit kognitive Fähigkeiten frei, die bisher für koordinative Tätigkeiten notwendig waren.
Die KI-Zukunft unserer Projektteams?
Aus dem Projektmanagement wissen wir genau, dass Teams dort zum Ziel gelangen können, wo Einzelpersonen die Puste ausgeht.
Nach demselben Prinzip arbeiten aktuell auch Anbieter von virtuellen KI-Assistenten wie Lindy.AI und Toolanbieter wie Crew.AI daran, komplexere Aufgabenstellungen auf mehreren Schultern zu verteilen. Spezialisierte KI-Agenten sollen sich autonom Daten einholen, Aufgaben bearbeiten und mit anderen Agenten kommunizieren, um dann gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Ein Projektteam aus autonomen KI-Agenten also.
Dabei sollten wir aber nicht aus den Augen verlieren, dass generative KI bei aller Kreativität keine Generelle Künstliche Intelligenz (AGI) ist, auch wenn uns das der Hype oft vorgaukelt. Halluzinationen, Missverständnisse und gutes altes Lügen gehören zum Prozess dazu und Ergebnisse müssen überprüft werden.
Fazit: Auch bei einem Projektteam aus KI-Agenten würde ich Ihnen also raten, die Sätze "Wie kommst du da drauf?" und "Hältst du das für plausibel?" nicht allzu schnell aus Ihrem PM-Wortschatz zu streichen.