TREND: Die Businesswelt ist einerseits geprägt von aktuellen, multiplen Krisen, andererseits vom massiven Hype um KI, ausgelöst durch ChatGPT. Wie erleben Sie das im Bereich des Projektmanagements?

In Projekten steht Volatilität an der Tagesordnung. Daher sind Projektmanager und -managerinnen gewohnt, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Auch die Unternehmen haben erkannt, dass gerade die spezifischen Kompetenzen, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Projekten benötigen, in herausfordernden Situationen hilfreich sind. Das spiegelt sich auch in unseren Zertifizierungen wider. 

Was KI betrifft, finde ich es interessant, dass es noch Leute gibt, die meinen, sie könnten es verbieten. Das geht sicher nicht mehr. Wir müssen also damit umgehen lernen, so schwierig es auch ist. Regeln und ethische Grundlagen für die Nutzung und den Umgang mit KI zu entwickeln, damit sie nicht die „Herrschaft“ übernimmt, ist sicher eine der großen Herausforderungen der Menschheit. Damit muss man sich beschäftigen, so wie wir auf unserem Jahreskongress pma focus.

 

Der fragt im Titel: Fakt oder Fake: Projektmanagement zwischen den Realitäten. Wie antworten Sie?

Man wird vieles nur mehr mit „eher“ beantworten können, denn das hundertprozentige hört sich damit auf.

 

Welchen Grundzugang zum Einsatz von KI-Instrumentarien im Projektmanagement oder allgemein für Knowledge Worker empfehlen Sie?

KI ist die größte Hilfe bei Routinen und wo man sich gut auskennt. Solche Dinge kann man KI zur Unterstützung wunderbar übergeben. Ich kann etwa KI aus meinen Ordnern Protokolle, Zusammenfassungen oder Präsentationen gestalten lassen – ob für den Vorstand oder für Kinder. Bei Routinen, Dokumentationen, Präsentationen sparen Projektmanager und -managerinnen mit KI viel Zeit. Etwas anders ist das bei Informationsgrundlagen, also wenn ich die Datenbasis nicht selbst definiere – und zwar auch im Hinblick auf Betrugsszenarien und Manipulation. Aus zehn Minuten Gesprächs-aufnahmen lässt sich eine Datenbasis gewinnen, aus der KI Reden oder Aussagen jedes beliebigen Inhalts herstellen kann. Da muss man sensibel und wachsam sein, auch mit gesundem Menschenverstand beobachten. Sich mit eigenen Daten Mühevolles, aber Notwendiges zu erleichtern und damit Wirksamkeit und Produktivität zu erhöhen, ist aber sicher der positive Aspekt.

 

Und die Projektmanager und -managerinnen sind auch bereit, die neuen Möglichkeiten zu nutzen?

Die Leute im Projektmanagement haben Freude und Interesse an Veränderung und Neuem, insofern passt das gut. Und sie wissen andererseits, dass Projektmanagement immer auch mit Risiko zu tun hat, dass es Unsicherheit gibt. Insofern sind sie auch prädestiniert, mögliche Fallstricke und Gefahren im Konnex mit KI zu erkennen und sich damit auseinanderzusetzen.

 

Ist für Sie eigentlich schon absehbar, wie KI das Projektmanagement und darüber hinaus die Arbeitswelt verändert?

 

Auf der gesellschaftlichen Ebene geht es jetzt darum, ethische und rechtliche Grundlagen zu schaffen, um die neuen Möglichkeiten gut für die Menschen und die Produktivität einzusetzen. Die Arbeitswelt verändert sich, nicht nur im Projektmanagement. Dass sich bei den Arbeitszeiten und der Flexibilität viel getan hat, war auf Basis von Technologie möglich und mit KI geht da vieles noch leichter. Man sollte immer pragmatisch und rational an Sachen herangehen, statt von einem neuen „Wundertool“ alles Mögliche zu erwarten. Der Weg des Neuen verläuft – ich erinnere mich etwa an den Hype um Agilität – meist so, dass da zunächst ein Riesenhype mit überzogenen Erwartungen entsteht, daraufhin Enttäuschung und Frust folgen, weil nicht alles eintritt, ehe das, was gut und brauchbar ist, auf unaufgeregte Weise zur neuen Normalität wird. Mit Kreativität und Intelligenz muss und wird es uns gelingen, KI in Projektmanagement und Arbeitswelt sinnvoll und nützlich einzusetzen.

 

Das Interview erschien zuerst im trend. - Sonderausgabe Forum Alpbach am 11. August 2023.

Mag. Brigitte Schaden

Brigitte Schaden ist Präsidentin von Projekt Management Austria (pma). Die studierte Versicherungsmathematikerin und Betriebsinformatikerin ist Inhaberin von BSConsulting und als Managementberaterin, Coach, Wirtschaftsmediatorin, Lektorin, tätig. Außerdem ist Brigitte Schaden IPMA® Assessorin, Chair von GAPPS (Global Alliance for the Project Professions), IPMA® Honorary Fellow sowie Vortragende auf Konferenzen in Brasilien, China, Indien, Korea, Südafrika, Australien, Nepal, Panama und in ganz Europa. Die ehemalige IT-Leiterin, Projektmanagerin und -auftraggeberin sowie PMO-Leiterin war außerdem Vizepräsidentin, Präsidentin und Chair der International Project Management Association, Personalleiterin und Organisationsentwicklerin.


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