Hidden Champions

Erfolg – so heißt es – hat viele Väter. Bei Projekten denkt man wohl zuallererst an die Projektmanager*innen und ihre Teams, mitunter tragen auch Lieferanten wesentlich zum Projekterfolg bei. Dementsprechend legen viele Organisationen Wert auf die Ausbildung (und oft auch Zertifizierung) ihrer Projektmanager*innen und den Nachweis von PM-Kompetenz bei Geschäftspartnern. Weit weniger Beachtung findet in der Praxis hingegen eine andere Rolle, nämlich Projektauftraggeber*innen.

Dabei belegen Studien immer wieder den großen Einfluss, den sie auf den Projekterfolg haben. Nur zwei Beispiele: In den CHAOS-Reports der Standish Group, einer seit 25 Jahren laufenden Langzeitstudie, führen Jahr für Jahr zwei Punkte praktisch ex aequo die Liste der Erfolgsfaktoren an: Executive Sponsorship und Emotional Maturity (des Umfelds). Eine evidenzbasierte Analyse von Erfolgsfaktoren im Projektmanagement der HS Koblenz ergab, dass zwei der drei Faktoren mit der höchsten Effektstärke (auch) Projektauftraggeber*innen wesentlich betreffen, nämlich Rollen & Kompetenzen definieren und Entscheidungen zeitnah treffen.

Was also können Projektauftraggeber*innen für den Projekterfolg tun? 

Zu allererst: Klare Projektziele vorgeben (also beschreiben, welche Veränderungen und welche neuen Möglichkeiten durch ein Projekt herbeigeführt werden sollen) und die dafür erforderlichen Ressourcen (Budget, Personal, Zeit, aber auch eigenes Interesse) bereitstellen. Neuartigkeit und Risiko von Projekten bringen es mit sich, dass während der Projektlaufzeit immer wieder Fragen auftreten und Entscheidungen zu treffen sind, die den Spielraum des Projektteams überschreiten. Diese Fragen rasch entweder selbst zu entscheiden oder für Entscheidungen an geeigneter Stelle innerhalb der Organisation zu sorgen, ist eine Schlüsselfunktion von Projektauftraggeber*innen.

Auch bei der Gestaltung von Stakeholderbeziehungen können Projektauftraggeber*innen oft mehr bewirken als die Mitglieder des Projektteams. Schließlich verstehen sich gute Projektauftraggeber*innen auch als (temporäre) Führungskraft der Projektmanager*innen und nehmen diese Führungsaufgabe aktiv wahr, indem sie Feedback geben, bei Bedarf (und nur dann!) unterstützen, vor allem aber greifbar sind, wenn sie benötigt werden.

Doch die Verantwortung von Projektauftraggeber*innen beginnt und endet nicht mit dem jeweiligen Projekt. Gute Projektmanager*innen können mit der Unterstützung ihrer Teams, ihres Auftraggeber und des Linienmanagements erfolgreiche Projekte abliefern. Aber die Projektauftraggeber*innen haben es in der Hand, ein erfolgreiches Projekt in einen Erfolg für die Organisation zu verwandeln.

Eine Frage der Qualifikation

Wesentliche Beiträge dazu finden vor beziehungsweise nach dem Projekt statt: Vorher geht es darum, nur solche Projekte zu beauftragen, die der Umsetzung der Unternehmensstrategie dienen und realistischerweise auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen umsetzbar sind. Nachher geht es darum, die neuen Möglichkeiten, die ein Projekt eröffnet hat, auch zu nutzen und dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse des Projekts tatsächlich wie gewünscht eingesetzt werden.

Ich habe vor einiger Zeit selbst an einer Studie mitgewirkt, bei der Topmanager*innen unter anderem nach ihren Erwartungen an gute Projektauftraggeber*innen gefragt wurden. Bemerkenswerterweise wurden diese beiden Aufgaben (strategic alignment und benefit realization management), die Projektauftraggeber*innen nicht für das Projekt, sondern für die eigene Organisation erfüllen, auch vom Topmanagement überhaupt nicht adressiert.

Organisationen, die bisher viel in die Qualifikation von Projektmanager*innen investiert haben, können also den Erfolg ihrer Projekte und den Gesamterfolg der Organisation am besten dadurch steigern, dass sie im nächsten Schritt vermehrt auf die Qualifikation und passende Auswahl von Projektauftraggeber*innen achten.

Mehr zu diesem Thema finden Sie auf der Website der Fachgruppe PM goes boardroom.

Dr. Christian Rudischer, cSPM

Als Managementberater unterstützt Christian Rudischer Organisationen aus allen Branchen bei der Umsetzung ihrer Strategie. Für pma ist er seit über 10 Jahren als Assessor tätig und österreichischer Koordinator der trinationalen Fachgruppe PM goes boardroom. Er hält Vorträge und Lehrveranstaltungen zu Themen des strategischen Managements, des Projektmanagements und der Projektgovernance und arbeitet als subject matter expert für project, programme and portfolio management an der Entwicklung internationaler Normen im Rahmen der ISO.


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