Virtuelles Projekt-Controlling als Sinnstiftung
Virtuelles Projekt-Controlling kann und muss für Reflexion als auch Sinnstiftung genutzt werden: Aktualisierung der Zielfokussierung soll Klarheit schaffen, damit jede*r weiß, was zu tun ist und welche Bedeutung jeder und jedem einzelnen für die Zielerreichung zukommt. Dabei gilt es vor allem folgende Dilemmas auszubalancieren:
- Effizienz versus Effektivität: Viele der neueren Tools zum Projektmanagement und der virtuellen Zusammenarbeit (Google-Docs, Trello, Miro, etc.) zielen auf Effizienz, einfaches Arbeiten und Beschleunigung ab. Das Risiko hier sowie bei den gängigen online-Meeting-Tools ist die Konzentration auf das reine Abarbeiten von geplanten To-dos. Dabei kann das Big Project Picture leicht verloren gehen. Im Besonderen besteht die Gefahr auf die Effektivität zugunsten von Kosten und Effizienz zu vergessen: Sind unsere Arbeitspakete tatsächlich noch zieldienlich? Ermöglichen unsere Outputs aus aktueller Sicht immer die erwünschten Wirkungen? Und rechnet sich der Business Case überhaupt noch?
- Kontrolle versus Vertrauen: Es liegt in der Verantwortung der Projektleitung zu überprüfen, ob die vereinbarten Aufgaben gemacht wurden und auch die Qualität stimmt. Es geht aber nicht nur ums (Ein-)Fordern, sondern auch um ein Fördern einzelner Projektteam-Mitglieder, das heißt inhaltliche oder methodische Unterstützung anzubieten. Vor allem auch um die Vertiefung oder gar den Aufbau von Vertrauen im Team. Vertrauen reduziert Komplexität und schafft einen Zusammenhalt, das wiederum ermöglicht erst ein leistungsfähiges Wir-Gefühl. Virtuelle Teams lernen sich oft gar nicht physisch kennen und bauen dadurch nur ein vages Vertrauen auf. Dieses vorläufige „Als-ob“-Vertrauen aus der Distanz gilt es im Projekt-Controlling mittels (virtueller) Teambuilding-Maßnahmen (Team-Interaktion mit anschließender Reflexion) zu vertiefen und zu bestätigen.
- Funktionale Lösungen versus integrierte Gesamtsicht: Schnelle einfache Lösungen aus funktionaler (abteilungsspezifischer) Sicht müssen von Zeit zu Zeit kritisch hinterfragt und auf Stimmigkeit hinsichtlich der Projektziele bewertet werden. Dies klingt zunächst einfach, ist es aber oft gar nicht, denn dahinter liegt die Differenz: Experten/innen-Sicht versus Projektleitung-Sicht. Sachliche Auffassungsunterschiede können sich sehr leicht zu sozialen Konflikten aufladen. Wer hat nun recht und was lässt sich letztlich durchsetzen? Sachliche Kritik muss daher sozial verträglich formuliert werden. Entscheidungsfindungen sind nochmals sensibler als in einem physischen Projekt-Controlling-Workshop, da der Face-2-Face Aspekt, und damit der non-verbale Verstehens-Check fehlt. Hilfreich können hier Methoden wie das systemische Konsensieren oder die Kreiskultur der Soziokratie sein. In beiden Fällen geht es im Wesentlichen um Wertschätzung und kontinuierliches Ausloten von Widerständen bei der Entscheidungsfindung sowie um das Ermöglichen von integrativen Lösungen. „Good enough for now and safe enought to try“ gilt als Motto für das ausfindig machen eines akzeptieren gangbaren Weges.
Gestaltungstipps
- Zeitlich: Statt den üblichen Controlling-Intervallen von sechs bis acht Wochen empfehlen sich eher kürzere Zyklen (im drei bis vier Wochen-Rhythmus) sowie kürzere Sessions mit maximal zwei Stunden Dauer.
- Sachlich: Aktives Rückfragen vonseiten der Projektleitung sowie auch das Rückfragen der PTMs sollen angeregt werden. Das Projektteam möglichst schon in der Vorbereitung stärker durch pointierte Statusberichte zum Ist-Zustand einbinden. In der Diskussion können regelmäßiges Paraphrasieren und Zwischenzusammenfassungen allfälligen Missverständnissen vorbeugen.
- Sozial: Eine regelmäßige Rollenklärung und die Stärkung von Eigenverantwortung sowie das Ansprechen und Aufarbeiten auch von schwache Konfliktsignalen, leisten einen wertvollen Beitrag für das Vertrauen und Wir-Gefühl in einer virtuellen Projektorganisation. Check-Ins zu Beginn eines Meetings sind essentielle Rituale für das schnelle Update zum Wohlbefinden und hinsichtlich Arbeitsfähigkeit des Projektteams.
Dies erfordert die Entwicklung von entsprechenden Fertigkeiten: Medienkompetenz im Umgang mit digitalen Tools und Techniken, Methodenkompetenz hinsichtlich der Gestaltung von Arbeits- und Reflexionsprozessen sowie ein Führungsverständnis, das auf Einbindung, Vorbildwirkung und Empowerment setzt.