Philipp Groborsch / Solid Eventmanagement & Consulting ist seit mehr als 20 Jahren im Bereich Eventmanagement mit Fokus auf Sportgroßveranstaltungen tätig und gibt uns Praxiseinblicke in das Risikomanagement bei Sportgroßveranstaltungen. In einer Podcast-Folge erklärt er, wie er Situationssimulationen nutzt, um verschiedene Szenarien mit dem Team im Vorfeld duchzuspielen und so mögliche Risiken vorab zu identifizieren.

 

Warum braucht man in Projekten Risikomanagement?

Veranstaltungen und Projekte haben eine Gemeinsamkeit - beide haben einen Anfang, beide ein klar definiertes Ende. Jede Sportgroßveranstaltung beginnt, genauso wie ein Projekt, mit der grundsätzlichen Idee. Wenn die Idee ausgereift ist, beginnt man die Bewerbungsphase, dort gibt es meist nur ein Bewerbungskommitee. Erst danach startet die Unternehmung "Sportgroßveranstaltung" richtig. Von dieser strategischen Phase, in der es hauptsächlich um Planung geht, geht es dann in die operative Phase, danach in die Readiness-Phase und dann in die operative Umsetzung, den Veranstaltungstag. Danach werden dann sukzessive Mitarbeiter*innen und Strukturen wieder abgebaut. In Großveranstaltungen gibt es immer rund 54 Funktionsabteilungen und Aufgaben, die zu erledigen sind. Beispiele für Funktionseinheiten sind die Unterbringung, Verpflegung und der Transport von Athlet*innen, die Servicisierung von Zuseher*innen und Besucher*innen, das Procurement, die Logistik uvm - unzählige Rädchen, die zusammenarbeiten und ein großes Ganzes ergeben. Bei großen Veranstaltungen gibt es mehrere Mitarbeiter*innen pro Funktionseinheit, bei kleineren Events haben weniger Mitarbeiter*innen meist mehrere Funktionen inne und arbeiten über Abteilungen hinweg. Die Mitarbeiter*innen-Anzahl kann bei Veranstaltungen mit mehreren Side-Events innerhalb kürzester Zeit auf bis zu 10.000 Personen anwachsen.

Die große Herausforderung ist es daher, dass man innerhalb kürzester Zeit ein Team aus sehr vielen unterschiedlichen Menschen formen muss, die oft auch unterschiedliche kulturelle und sprachliche Hintergründe haben und nicht immer harmonisieren. Die Besonderheit von Sportgroßveranstaltungen ist, dass sowohl der Anfang, als auch das Ende mit zwei bestimmten Anlässen - Start der Übertragung im TV und Closing Ceremony - klar definiert sind. Aufgrund dieser Parameter und Faktoren, wie beispielsweise der Ticketverkäufe für die Veranstaltung vor Ort, kann man so ein Event auch nicht leicht verschieben oder wiederholen - es muss zu 100% zum geplanten Termin stattfinden.

 

Risikomanagement im Detail

Hinter den Kulissen geht natürlich auch vieles schief, wichtig ist aber, dass nichts davon nach Außen und in der TV-Übertragung sichtbar ist.  Als Event-Manager*in muss man fast auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Je nach Größe der Veranstaltung gibt es natürlich unterschiedliche Risiken: Bei kleineren Events kann man diese gut kalkulieren, bei großen und komplexen Live-Veranstaltungen sind sie schwerer zu kalkulieren. Darüber hinaus trägt man als Veranstalter*in auch Verantwortung für die Besucher*innen und muss sich um Dinge wie Fluchtwege oder andere Bedürfnisse (Verpflegung, Toiletten, …) kümmern. Und dazu kommen auch noch externe Faktoren, die man überhaupt nicht kontrollieren kann, wie höhere Gewalt: Bei Freiluft-Veranstaltungen sollte das Wetter mitspielen oder die Veranstaltung so geplant sein, dass sie vom Wetter unabhängig ausgetragen werden kann. Es können beispielsweise Feuer ausbrechen, Stromausfälle für Störungen sorgen, usw. Man sollte also neben einem Plan A , auch immer einen Plan B, C,  oder D haben. Risikomanagement wird in der Praxis meist von der Funktionsabteilung "Sicherheit und Personalplanung" übernommen. 

Die detaillierte Szenarienplanung wurde aus dem Bereich für Katastrophenschutz übernommen. Dabei werden Risikosituationen aktiv nachgestellt und simuliert. Der Mehrwert für alle Beteiligten ist, dass diese Simulationen auch gleich als Team-Buildung fungieren können. Die Mitarbeiter*innen sitzen ja nicht wie in anderen Organisationen seit Ewigkeiten im gleichen Bürogebäude und wickeln ein Projekt nach dem anderen gemeinsam ab. Oft haben sie vorher vielleicht gar nicht miteinander kommuniziert und bereiten Dinge aus einer Funktionseinheit heraus vor, ohne einander zu kennen. Durch diese Simulationen wird Kommunikation und vor allem dringend notwendiges Vertrauen im Team hergestellt. In der Praxis erhalten die Teams die in den einzelnen Veranstaltungsstätten verantwortlich sind, in der Location Umschläge mit Situationen, die dann gelöst, durchgespielt und danach reflektiert werden sollen.

 

Der Faktor Mensch im Risikomanagement

Bedeutend in einer Risikosituation ist immer der jeweilige Mensch, der mit dem Risiko konfrontiert ist. Jeder Mensch schätzt eine Situation unterschiedlich ein und reagiert dementsprechend anders darauf. Diese menschliche Auffassung und individuelle Beurteilung von Problemen sollte idealerweise im Risikomanagement schon berücksichtig werden. Eigenschaften, die definitiv hilfreich sind, um in Krisensituationen "richtig" zu reagieren sind Gelassenheit und Ruhe. Das bewahrt davor, überstürzt zu handeln und strahlt auf alle Menschen, die an der Veranstaltung beteiligt sind (sowohl Mitarbeiter*innen als auch Besucher*innen) Vertrauen und Ruhe aus.

 

Der Experte hatte abschließend auch noch Tipps für andere Projekte: Wenn es um die Motivation des Projektteams geht, sollte man als Projektleiter*in realitätsnahe denken. Das bedeutet, dass man Ziele nicht zu hoch, aber auch nicht zu niedrig steckt. Die Vision, die man ereichen möchte, sollte also realistisch und nicht zu weit enfernt sein. Außerdem ist es immer hilfreich, offen zu sein. Oft haben Mitarbeiter*innen - auch aus anderen Bereichen - kreative Ideen für Problemlösungen, die gerade genau das sind, was man in der Situation braucht. Wenn Sie nun neugierig sind, hören Sie in die Folge 11 des pma Podcast zum Thema "Risikomanagement" rein.

 

Foto © ozalpvahid/Shutterstock.com

Ing. Alexander Vollnhofer, MSc, cPM

Ing. Alexander Vollnhofer, MSc, cPM leitet die pma Geschäftsstelle. Er hat seine Studienschwerpunkte Projektmanagement, IT und Sozialwissenschaft in Projekten für die öffentliche Verwaltung zum Einsatz gebracht. Besonderes Interesse hat der begeisterte Schifahrer an komplexen Entscheidungsprozessen und am Mentoring junger Projektmanager*innen entwickelt. Alexander Vollnhofer ist seit 2013 pma Mitglied und leitete 2017 die pma young crew, die pma Plattform für Einsteiger*innen im Projektmanagement. Seit 2018 ist er im pma Vorstand und als Geschäftsstellenleiter für pma tätig. Seine Zuständigkeit im Vorstand umfasst die Betreuung von pma young crew Aktivitäten und den Bereich Innovation.


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