IT- oder Organisationsprojekt?

Die Antwort auf diese Frage liegt wohl in der Bewertung was wir mit der Lösung erreichen wollen. Komplexe IT-Lösungen verändern zumeist die Geschäftsprozesse und neue Prozesse erfordern wiederum sehr oft eine neue Art des Zusammenarbeitens. Es geht daher oftmals um einen Cultural Change um teure und komplexe IT-Lösungen wirkungsvoll im Geschäftsmodell einzusetzen. Tun wir das nicht, haben wir vielleicht ein (weiteres) state-of-the-art Werkzeug in unserer Systemlandschaft; die Kosten-Nutzen-Relation sollten wir uns dann aber lieber nicht mehr im Detail ansehen. Um die Diskussion dazu etwas greifbarer zu gestalten, möchte ich daher dieses Thema anhand eines Projektes diskutieren: Die Einführung von SAP S/4 HANA.

Mehr Flexibilität und einer besseren Benutzerfreundlichkeit

Die Modernisierung des ERP-Systems ist wesentlicher Bestandteil der Strategieumsetzung. Das hat auch SAP zum Anlass genommen um in ihrem Produktlebenszyklus einen signifikanten Entwicklungsschritt umzusetzen. Ohne zu weit in Details der neuen ERP-Lösung hier einzugehen gilt es für unser Thema dabei zu beachten, dass mit der HANA Technologie ein ERP-System in die Geschäftswelt kommt, das neben mehr Flexibilität und einer besseren Benutzerfreundlichkeit, eine Echtzeit Anwendung ermöglicht.

Das System wird daher als Reaktion auf die Anforderungen der Digitalisierung verstanden. Die Digitalisierung ist aber nichts anderes als ein Veränderungsprozess, der durch die Verfügbarkeit von neuen Technologien ausgelöst wird. Erst diese neuen Technologien machen die Digitalisierung von Geschäftsprozessen möglich. Ob diese digitale Transformation für das Geschäftsmodell aber sinnvoll ist, kann die Technologie nicht entscheiden.

IT muss innovativer werden

Eine Studie von Horvath und Partner zum Thema „Adaptive IT“ kommt zur Erkenntnis, dass nur 15% der Befragten vollständig zustimmen, dass die IT aktuell Gestalter der digitalen Transformation im Unternehmen ist. Ist die IT zu weit weg von der Unternehmensentwicklung? 96% der Befragten gehen davon aus, dass die Bedeutung der IT-Organisation in den nächsten drei Jahren in der Gesamtorganisation zunehmen wird. Nur 6% der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die IT-Organisation proaktiv Innovationen für Fachbereiche erarbeitet.

IT war und ist nie der Zweck an sich

Es ist daher höchste Zeit, dass die IT ihre Rolle besser verstehen lernt. In Zeiten der Digitalisierung sind auch nach Einschätzung von Horvath & Partners eher Change-Fähigkeiten relevant und weniger die Bereitstellung von Commodities; oder anders gesagt: komplexe IT-Lösungen, die Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse haben, erfordern immer einen effizienten Change-Management Prozess.

Viele dieser Change-Management-Prozesse (Veränderungsprozesse) erreichen allerdings nicht das was am Beginn erwartet wird. Das hat allerdings weniger mit zu geringen Erfolgschancen von Veränderungsprojekte zu tun – Horrorzahlen wie viele solcher Projekte schiefgehen, möchte ich an dieser Stelle bewusst nicht anführen, weil diese in keinem Fall auf irgendwelcher wissenschaftlicher Basis beruhen – sondern viel mehr mit dem fehlenden Verständnis auf was wir in solchen Projekten den Fokus richten sollten.

Menschen reagieren nicht immer „logisch“

Wir verändern in diesen Projekten das Verhalten von Menschen und das ist keine triviale Anforderung; die Einführung von IT-Systemen per se mag vielleicht auch herausfordernd sein, aber es bleibt dennoch im Sinne eines systemischen Verständnis eine triviale Anforderung (Anm.: ein definierter Input erzeugt einen definierten Output). Menschen sind keine Maschinen und daher müssen wir in diesen IT-Projekten lernen neu zu denken. Machen wir das nicht, dann verwenden wir die gleichen gewohnten Methoden für eine vollkommen neue Herausforderung.

Emotionale Kompetenz als Erfolgsfaktor

Die allgemeinen Qualifikationen, die wir heute an IT-Projekt Manager stellen, reichen nicht mehr aus um komplexe Organisationsprojekte, die durch die Einführung von IT-Lösungen ausgelöst werden erfolgreich zum Ziel zu führen. Die gute Nachricht allerdings ist, dass Projektmanager normalerweise das Skill-Set haben, um sich den neuen Anforderungen flexibel anpassen zu können. Es geht daher heute mehr denn je um die emotionale Kompetenz (nach Daniel Goldman) als Erfolgsfaktor in IT-Transformationsprozessen.

Den ganzen Artikel zum Thema: „Was sind die 7 (organisatorischen) Todsünden bei der Einführung von komplexen IT-Lösungen (am Beispiel von SAP S/4 HANA)?“finden Sie unter folgendem link.

Dipl.-Ing. Dr. Alfred Steinwender MBA

Seit 25 Jahren leitet Alfred Steinwender unterschiedliche Projekte vorwiegend in IT und Telekommunikationsunternehmen. Hauptberuflich verantwortet er das Projekt Management in der Raiffeisen Informatik, dem IT-Dienstleister der österreichischen Raiffeisen-Bankengruppe in Wien. Mit seinem Team ist er für Projekte im Bereich Applikations- und Infrastruktur Management, wie auch Prozessoptimierung und Transformationsprojekten verantwortlich, die nach klassischen, agilen und hybriden Methode abgewickelt werden.

Alfred Steinwender studierte Technische Mathematik, absolvierte einen Executive MBA, promovierte in systemischer Organisationsentwicklung und ist heute Lehrbeauftragter und Gastvortragender auf österreichischen Universitäten. Mit NeuroChange (www.NeuroChange.com) gründete er eine Plattform um Erkenntnisse der Neurologie in einem gehirngerechteren Transformationsmanagement zu nutzen.

 


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