Tabuthema "Scheitern"

Immer wieder scheitern Projekte. Oft ist jedoch nicht die Komplexität des Projektes dafür verantwortlich, sondern unprofessionelles oder gar nicht vorhandenes Projektmanagement, zum Beispiel aufgrund von mangelhafter Kommunikation, fehlender Zielvorgaben, zu hohen Erwartungen, ungeklärten Verantwortlichkeiten oder inadäquater Planung. In unsere Kultur –  im Gegensatz zur amerikanischen –  ist das Scheitern jedoch nach wie vor ein Tabuthema. Der Satz „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ scheint im Projektkontext noch nicht angekommen zu sein.

Lernerfahrung

Sich einzugestehen, gescheitert zu sein, wird daher meist so lange wie möglich hinausgezögert – oftmals viel zu lange, denn selbst bei exzellentem Projektmanagement ist ein Misserfolg nicht gänzlich auszuschließen. Dann beispielsweise, wenn im Projekt die unterschiedlichen Interessen der Stakeholder übersehen werden. Häufig sind Erwartungshaltungen an Projekte auch viel zu hoch und die eingesetzten Ressourcen (Zeit, Kosten, Personal) zu gering angesetzt.

Für den Fall der Fälle gewappnet 

Tipp 1

Ein System der Frühwarnung entwickeln und nicht auf Wunder warten 

Früherkennung ist bekanntlich die beste Vorsorge. Nicht nur in der Gesundheit, sondern auch im Projektmanagement. Im Projektmanagement heißt Vorsorge Risikomanagement. Diese Investition ist der erste Schritt, um die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns zu minimieren. Ehrliche Reflexion hilft dabei ebenso, wie Resilienz zu üben.

Tipp 2

Eine positive Fehlerkultur fördern und diese vorleben 

Fehler passieren überall, also auch im Projekt. Diese zu vertuschen, ist gefährlich. Daher ist es wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die (eigenen) Fehler auch mitgeteilt werden. Die Behebung und Vermeidung sollten im Vordergrund stehen und nicht die Schuldsuche. Fehler müssen im Projekt auch als Lernchance genützt statt tabuisiert werden.

Tipp 3

Im Team gemeinsam Spiel- und Kommunikationsregeln erarbeiten

Missverständnisse führen oft zu einem Scheitern von Projekten. Indem Sie klare Spielregeln für die Zusammenarbeit festlegen, die Sie zuvor gemeinsam mit Ihrem Team erarbeitet haben, wird deren Einhaltung automatisch zu einem gemeinsamen Anliegen. Dabei gilt es sowohl auf die formelle als auch auf die informelle Kommunikation zu achten.

Tipp 4

Geduld bewahren, viel Wert auf adäquate Planung und einen gelungenen Projektstart legen

Oft werden Projekte zu früh umgesetzt, weil zu wenig Zeit für eine Machbarkeitsstudie, adäquate Planung oder Prototyping eingeräumt wurde. So kann es zu unrealistischen Projektzielen, unklaren Rollendefinitionen und schlecht aufgestellten Teams kommen. Die Folge ist eine Art Kettenreaktion: Ein eilig vorangetriebener Start hängt dem Projekt meist bis zum Schluss nach.

Tipp 5

Bereits im Vorfeld klären, welche Projekte sinnvoll sind

Die wichtigste Voraussetzung gegen das Scheitern ist ein klarer Projektauftrag. Hier sind Linie und Projektauftraggeber*innen gleichermaßen gefordert. Ob der Nutzen und die Erwartung durch das Projekt erzielbar und realisierbar sind.

Niemand von uns scheitert gern. Auch nicht im Projektmanagement. Doch ohne Scheitern kommt keiner durchs Leben. Ist es nicht an der Zeit zu lernen, wie wir besser damit umgehen können? Scheitern im Projekt wird oft als Niederlage betrachtet, dabei ist es eine wichtige Lernerfahrung. Und übrigens: Eine gesunde Portion Humor kann auch in Projekten sehr hilfreich sein, um das "Weiter" heiter und produktiv zu gestalten.

Mag. Brigitte Schaden

Brigitte Schaden ist Präsidentin von Projekt Management Austria (pma). Die studierte Versicherungsmathematikerin und Betriebsinformatikerin ist Inhaberin von BSConsulting und als Managementberaterin, Coach, Wirtschaftsmediatorin, Lektorin, tätig. Außerdem ist Brigitte Schaden IPMA® Assessorin, Chair von GAPPS (Global Alliance for the Project Professions), IPMA® Honorary Fellow sowie Vortragende auf Konferenzen in Brasilien, China, Indien, Korea, Südafrika, Australien, Nepal, Panama und in ganz Europa. Die ehemalige IT-Leiterin, Projektmanagerin und -auftraggeberin sowie PMO-Leiterin war außerdem Vizepräsidentin, Präsidentin und Chair der International Project Management Association, Personalleiterin und Organisationsentwicklerin.


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