TREND: Vor einem Jahr haben Sie festgehalten, wie wichtig und hilfreich die für das Projektmanagement maßgeblichen Qualifikationen auch für die Bewältigungen der Herausforderungen durch Pandemie, Lockdown und Krise sind. Bestätigt sich diese Analyse aus Ihrer Sicht auch in der längerfristigen Betrachtung?

BRIGITTE SCHADEN: Wo Projektkultur schon verankert war, hat man sich mit den kurzfristigen Veränderungen natürlich viel leichter getan. Auch damit, neue Möglichkeiten der Kommunikation schnell zu adaptieren und zu nutzen. Der neue Modus vivendi hat gezeigt, was alles virtuell und online möglich ist. Mit dem Fortgang der Pandemie hat man aber nach einiger Zeit dann auch gesehen, was fehlt.

 

TREND: Was war das konkret?

BRIGITTE SCHADEN: So froh alle darüber waren, dass Meetings oder Präsentationen virtuell gut funktionieren und man weiterarbeiten konnte, auch nicht mehr überall hinfahren musste, um persönlich an Meetings teilzunehmen, hat mit der Zeit dann doch ein anderer Grundton mitgeschwungen: Ja, läuft alles, aber es fehlt doch auch etwas, die Kommunikation, die es sonst auch noch gibt, die soziale Nähe, die ungeplanten Dinge.

 

TREND: Das Informelle und das Zwischenmenschliche ist also zu kurz gekommen?

BRIGITTE SCHADEN: Genau dieses Informelle mit hohem Wert, auch das private Gespräch an der Kaffeemaschine, ist weggefallen. Es wurde zwar versucht, das online mit Tools zu kompensieren, eine Art lebendiges Virtual Office zu etablieren, fast wie in der Spielewelt. Man kommt aber, wenn das möglich ist, jetzt auch wieder gerne öfter ins Büro. Dass der Wert informeller Kommunikation erkannt wurde, sehe ich sehr positiv.

 

TREND: Was heißt das im Konnex mit Projektmanagement?

BRIGITTE SCHADEN: War wir jetzt mit Online-Kommunikationstools erleben, kennen wir im Projektmanagement gut: neue Ansätze und Methoden werden zuerst oft als umfassende Heilsbringer für alles ganz euphorisch aufgenommen. Nach dem Hype kommen aber die Probleme, die es vorher schon gab, wieder zurück. Wir sehen zum Beispiel jetzt aktuell, dass auch agile Ansätze nicht für alles passen.

 

TREND: Wie zeigt sich das?

BRIGITTE SCHADEN: Agile Management erfordert Kulturwandel, man wird nicht von einem Tag auf den anderen zum agilen Unternehmen. Ein agiler Zugang ist natürlich nötig, vor allem bei Projekten, wo das Ziel nicht so klar oder variabel ist, etwa wegen sich verändernder Rahmenbedingungen. Da bedarf es vieler Feedback-Runden, das ist nur mit Agilität machbar. Andere Projekte, etwa in der Bauwirtschaft, haben klare Eckpunkte. Auch die muss man flexibel handhaben, aber es ist nicht einfach zu erkennen, wann Agile und wann die klassische Wasserfallmethode auf ein Projekt passt. Jedenfalls muss man ein Projekt so managen, wie es zum Kontext passt.

 

TREND: Warum klingt es bei vielen Beratern und Unternehmen so, als hätte man vor Agile in der Management-Steinzeit gesteckt?

BRIGITTE SCHADEN: Dass sich Rahmenbedingungen viel rascher ändern, ist ein Kennzeichen der Zeit und genau dafür passt Agilität auch perfekt. Aber das Projekt Mondflug war auch unbekanntes Terrain, und agile Methoden gab es in den 60er-Jahren nicht – sehr wohl aber Projektmanagement. Es geht hier nicht um ein Schwarz-Weiß-Denken, sondern darum, Blickwinkel zu ändern und offene Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Also um die richtige Balance zwischen bewährten und neuen Ansätzen?

Auf Komplexität muss man sowohl agil als auch strukturiert reagieren – und zwar mit der notwendigen Flexibilität. Wir haben dabei heute sicher mehr Dynamik in der Komplexität als früher. Das muss man erkennen und sich darauf einstellen. Auch die Arbeitswelt wird dynamischer und unsicherer, etwa wenn Abteilungsgrenzen geöffnet werden. Genau darum werden ja auch Projektmanagement-Kompetenzenen immer wichtiger.

 

Das Interview ist zuerst im trend. EDITION 4 erschienen.

Mag. Brigitte Schaden

Brigitte Schaden ist Präsidentin von Projekt Management Austria (pma). Die studierte Versicherungsmathematikerin und Betriebsinformatikerin ist Inhaberin von BSConsulting und als Managementberaterin, Coach, Wirtschaftsmediatorin, Lektorin, tätig. Außerdem ist Brigitte Schaden IPMA® Assessorin, Chair von GAPPS (Global Alliance for the Project Professions), IPMA® Honorary Fellow sowie Vortragende auf Konferenzen in Brasilien, China, Indien, Korea, Südafrika, Australien, Nepal, Panama und in ganz Europa. Die ehemalige IT-Leiterin, Projektmanagerin und -auftraggeberin sowie PMO-Leiterin war außerdem Vizepräsidentin, Präsidentin und Chair der International Project Management Association, Personalleiterin und Organisationsentwicklerin.


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